Fliessgewässer zwischen natürlicher Vielfalt und technischer Nutzung

20. Mai 2025
Abb. 1 Fischpass (Keira Noll)

Die ökologischen Strukturen eines Flusses

Im Ergänzungsfach Biologie haben wir uns im letzten Halbjahr mit dem Thema Ökologie beschäftigt – besonders im Zusammenhang mit fliessenden Gewässern. Dabei haben wir zentrale ökologische Prinzipien kennengelernt und die Bedeutung dieser aquatischen Lebensräume.

Fliessende Gewässer sind durch ihre ständige Bewegung geprägt und verändern sich laufend – je nach Temperatur, Gefälle, Bodenbeschaffenheit und Jahreszeit. Die Einteilung erfolgt in sogenannte Abschnitte eines Flusslaufs: Quellbereich, Oberlauf, Mittellauf, Unterlauf und Mündung. Diese unterscheiden sich stark in ihrer Strömungsgeschwindigkeit, Temperatur und im Sauerstoffgehalt.

Der Quellbereich ist der Ursprung eines Flusses, meist in höher gelegenen Regionen. Das Wasser ist dort eher kalt, sauerstoffreich und fliesst oft noch unterirdisch oder als kleines Rinnsal an der Oberfläche. Pflanzen gibt es kaum, dafür leben dort spezialisierte Kleintiere, die an das rasch fliessende, nährstoffarme Wasser angepasst sind. Im anschliessenden Oberlauf fliesst das Wasser schneller und mit starkem Gefälle. Hier kommen vor allem Tiere vor, die an die starke Strömung gewöhnt sind – etwa Forellen oder Groppen. Der Mittellauf ist breiter und flacher, die Strömung wird langsamer. Dadurch können sich Sedimente ablagern, was die Lebensbedingungen für Pflanzen und Tiere vielfältiger macht. Man findet hier zum Beispiel Wasserpflanzen, Schnecken und verschiedene Fischarten. Im Unterlauf schliesslich fliesst das Wasser ruhig durch flache Landschaften. Es ist wärmer, nährstoffreicher und bietet durch den schlammigen Grund einen Lebensraum für viele Fische, Würmer und Mikroorganismen. Am Ende des Flusses befindet sich die Mündung. Hier fliesst das Wasser in ein Meer, einen See oder in einen anderen Fluss. Diese Region zeichnet sich durch langsame Strömung, hohe Sedimentablagerung und eine besonders hohe Artenvielfalt aus.

Zwischen Energiegewinnung und Artenschutz

Fliessende Gewässer sind Lebensraum für eine Vielzahl von Arten – vor allem für solche, die mit der Strömung zurechtkommen. Die Struktur des Gewässer bestimmt dabei wesentlich, welche Lebewesen dort leben können und zeigt zugleich, wie empfindlich dieses Ökosystem auf menschliche Eingriffe von aussen reagiert.

Obwohl natürliche Flüsse unglaublich vielfältig und artenreich sind, sind sie empfindlich gegenüber menschlichen Einflüssen. Oft findet der Eingriff in Fliessgewässer aus völlig nachvollziehbaren Gründen statt; etwa zur Trinkwasserversorgung, zur Energiegewinnung oder zum Hochwasserschutz. Leider bringen diese Eingriffe jedoch erhebliche Herausforderungen für das ökologische Gleichgewicht mit sich.

In der Schweiz spielt Wasserkraft eine besonders grosse Rolle: Über 50% der Schweizer Stromversorgung wird durch Wasserkraft gedeckt – sowohl Laufkraftwerke an Flüssen, wie auch Speicherkraftwerke in den Alpten haben grosse Auswirkungen auf lokale Gewässer. Diese Form der Energiegewinnung gilt als klimafreundlich, da keine CO₂-Emissionen entstehen. Doch trotz ihrer Umweltvorteile bringt die Nutzung der Wasserkraft ökologische Herausforderungen mit sich.

Um Flüsse wirtschaftlich zu nutzen, werden sie begradigt, kanalisiert oder durch Staumauern unterbrochen. Solche baulichen Umgestaltungen wirken sich stark auf die natürlichen Abläufe im Flusssystem aus. Die Strömung verändert sich, Sedimente lagern sich anders ab, der Wasserstand wird künstlich geregelt und viele Lebensräume für Tiere und Pflanzen gehen verloren.

Wenn Flüsse gestaut oder umgeleitet werden, verändert das nicht nur den natürlichen Wasserlauf, sondern auch die Lebensräume vieler Tier- und Pflanzenarten. Besonders betroffen sind wandernde Fischarten wie Forellen oder Lachse. Sie leben oft in den kühlen, sauerstoffreichen Oberläufen und müssen zum Laichen in einen anderen Flussabschnitt wandern. Auf dem Weg flussaufwärts stellen Staumauern jedoch unüberwindbare Hindernisse dar. Viele Fische finden keinen Zugang zu ihren Laichplätzen, was langfristig zu einem Rückgang ihrer Population führen kann. Beim Abstieg, also bei der Wanderung flussabwärts, droht eine andere Gefahr: Gelangen sie in die Turbinen von Wasserkraftwerken, kann das für sie tödlich enden.

Um die negativen Folgen für die Tierwelt zu minimieren, werden an vielen Wasserkraftanlagen heute sogenannte Fischaufstiegshilfen gebaut. Diese ermöglichen es Fischen, Staustufen oder Dämme zu umgehen. Eine verbreitete Form ist der sogenannte Fischpass – eine Abfolge kleiner Becken oder Rinnen mit jeweils geringem Höhenunterschied. So können die Fische die Höhendifferenz zwischen Ober- und Unterwasser Schritt für Schritt überwinden.

Die Strömung wird dabei so geregelt, dass sie den Fischen einerseits die Richtung weist und andererseits nicht zu stark ist, um sie zu überfordern. Je nach Standort und Fischart kommen auch Fischlifte oder naturnahe Umgehungsgewässer zum Einsatz. Entscheidend ist dabei immer die Anpassung an die lokalen Fischarten: Nur wenn Strömungsgeschwindigkeit, Einstieg, Tiefe und Höhenunterschiede richtig abgestimmt sind, wird der Pass auch tatsächlich genutzt.

Abb. 2 Wasserkraftwerk Hagneck, BKW & Bielersee Kraftwerk AG (Geo Admin)

Durch ein Betriebspraktikum bei der BKW bot sich die Möglichkeit, die Planung und Umsetzung ökologischer Ausgleichsmassnahmen an Wasserkraftanlagen aus nächster Nähe mitzuerleben. Dabei wird deutlich, wie gross der technische Aufwand ist, Anlagen so zu gestalten, dass sie eine zuverlässige Stromproduktion gewährleisten und ausserdem die ökologischen Anforderungen erfüllen. Ökologische Aspekte müssen heute von Anfang an in die Planung integriert werden, damit moderne Wasserkraftwerke die Energiegewinnung möglichst umweltschonend realisieren können.

Eingriffe in natürliche Gewässer sind oft unumgänglich – umso wichtiger ist es, technische Lösungen wie Fischpässe ökologisch durchdacht umzusetzen. Nur wenn Massnahmen wie Fischpässe sorgfältig geplant und auf die lokalen Gegebenheiten abgestimmt sind, können sie ihre Funktion erfüllen und zum Schutz der Biodiversität beitragen.

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